Ausgezeichnete Forschung mit Bestand
Zehn Jahre sind eine lange Zeit, betrachtet man die rasante technologische Entwicklung und die Lebenszyklen neuer technischer Errungenschaften. 2010 waren beispielsweise Handys mit physischen Tasten noch weit verbreitet und eines der Smartphone-Spitzenmodelle warb mit einem Prozessor mit 1Ghz und einer Bildschirmdiagonale von 10 cm. Heute sind randlose Displays mit 15 cm und mehr Diagonale das Maß aller Dinge und viele Smartphones arbeiten mit über 2Ghz – pro Prozessor-Kern wohlgemerkt. Es ist also durchaus etwas Besonderes, dass eine Entwicklung den technologischen Fortschritt so nachhaltig beeinflusst, dass dieser Einfluss auch eine Dekade später noch nachwirkt. Forschenden des TECO um Prof. Michael Beigl ist das mit ihrem Paper „ActiServ: Activity Recognition Service for Mobile Phones“ gelungen. Dafür erhielten sie auf der führenden Wearable-Konferenz, dem International Symposium on Wearable Computing (ISWC) 2020, den 10 Year Impact Award.
Im Paper geht es um ein Open-Source-System für Mobilgeräte, das Kontext und Aktivitäten des Benutzenden mit einer hohen Genauigkeit erkennen und unterscheiden kann. Der Ansatz fußt auf einer Erkennungsarchitektur, die auf Basis von Fuzzy-Inferenzmechanismen – also Mechanismen zum logischen Schließen aus unscharfen Mengen – Tätigkeiten klassifiziert. Trainiert hat das System mithilfe großer Datenmengen anderer Benutzerinnen und Benutzer, aber -und das war revolutionär- kooperativ teilweise direkt auf dem Endgerät selbst, als auch auf einem Server – dies heute bekannt unter dem Begriff Edge-Cloud-Machine Learning. Um die verteilten KI-Modelle nicht ständig komplett neu berechnen zu müssen, verwendeten sie einen vormals neuartigen Ansatz, der das Hinzufügen neuer und das Vergessen alter Modellteile ermöglichte, heute unter dem Namen continous learning bekannt.
Mit ihrem System haben Hauptautor Martin Berchtold und seine Co-Autoren Matthias Budde, Dawud Gordon, Hedda R. Schmidtke und Michael Beigl 2010 eine Grundlage für heutige am Markt erhältliche Wearables und Apps zum Tracking von Bewegung und Aktivitäten gelegt und dafür verdient den diesjährigen 10 Year Impact Award der Top-Konferenz für Wearable Computing verliehen bekommen.
In seiner Laudatio betonte Prof. Kai Kunze von der Keio University (JPN), dass das Paper in beiden Auswahlkriterien für den Preis – nämlich entweder die höchste Anzahl an Zitationen oder den größten Einfluss auf Wissenschaft und Industrie – vorne lag.
Das TECO am KIT forscht seit 1993 mit einer Reihe von Partnern aus Forschung und Industrie zu Themen wie Ubiquitous Computing, Mobile Computing, HCI, Sensor/Aktor-Netzwerke (insbesondere CPS), Big Data Analytics und kontextsensitive KI-Systeme.
Für die Abdeckung der forschungsnahen Lehre ist das TECO verbunden mit dem Lehrstuhl für Pervasive Computing Systems innerhalb des Instituts für Telematik an der KIT-Fakultät für Informatik.
Gemeinsam mit weiteren Partnern betreibt das TECO/KIT das Smart Data Innovation Lab (SDIL) des Bunds sowie Baden-Württembergs Smart Data Solution Center (SDSC).